Monetarisierung von Kundendaten

„Zustimmung bedeutet nicht Ausbeutung“

20. Juni 2022, 13:30 Uhr | Interview: Diana Künstler
Identifizierte Arten von Verbraucherdaten, dargestellt in Form einer Wortwolke: Die Größe der angezeigten Datenarten repräsentiert die Häufigkeit, mit der die jeweilige Datenart in der Analyse von Literatur, Webrecherche und Interviews identifiziert wurde.
© Verbraucherdaten als Gegenleistung – Der ökonomische Wert von Kundendaten, Uni Kassel im Auftrag des BMJV, 2019

Die Monetarisierung der Kundendaten hat sich zu einem profitablen Geschäftsmodell entwickelt. Sridhar Iyengar von Zoho ist der Meinung, dass Firmen dabei nicht nur auf die eigenen Praktiken achten sollten. Auch die Dienste von Fremdanbietern gilt es zu überprüfen, um Schlupflöcher zu schließen.

funkschau: Viele Dienste, soziale Medien und Applikationen sammeln Daten ihrer Kunden und veräußern diese. Warum betrifft das auch Unternehmen, die selbst gar nicht mit sensiblen Informationen handeln?

Sridhar Iyengar: Vertrauen ist heute in Kundenbeziehungen von größter Bedeutung – es ist die neue Währung. Denn die Kunden sind misstrauisch geworden, wenn es um die Preisgabe ihrer Daten geht, und sie sind sich stärker bewusst, wie Unternehmen sie kommerziell nutzen können. Personalisierung ist eine Sache, aber die Verwendung von Daten, nur um mehr Geld zu verdienen und ohne Zustimmung, ist unserer Meinung nach unethisch und muss aufhören. Unternehmen, die ihre Kunden gewinnen und an sich binden wollen, müssen eine Beziehung des gegenseitigen Vertrauens aufbauen.

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Sridhar Iyengar, Zoho
Sridhar Iyengar ist Geschäftsführer von Zoho Europa. Das Lösungsportfolio des Software-Anbieters besteht aus mehr als 50 Applikationen – unter anderem für Geschäftsbereiche wie Vertrieb, Marketing, Kundensupport, Buchhaltung und Backoffice – sowie einer Reihe von Produktivitäts- und Kollaborationstools. Er ist überzeugt: „Vertrauen ist die neue Währung in Kundenbeziehungen.“
© Zoho

Wenn Kunden sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung eines Unternehmens entscheiden, haben sie zwar die Möglichkeit, die AGB des jeweiligen Anbieters zu lesen. Viele Unternehmen greifen jedoch auf Dritte zurück, um ihnen bei der Durchführung von unterschiedlichen Aspekten des Online-Geschäfts zu helfen – beispielsweise bei der Ermittlung des ROI von Online-Marketing-Kampagnen oder der Verfolgung der Customer Journey. Dritte arbeiten aber oftmals anders und haben andere Geschäftsbedingungen, an die sie sich halten, was ihnen erlaubt, Kundendaten für den eigenen finanziellen Gewinn zu nutzen. Manchmal besteht bei solchen Praktiken auch die Gefahr, dass die Anbieter gegen die DSGVO-Richtlinien verstoßen. Unternehmen, die Dritten Zugang zu ihren Kundendaten gewähren, müssen also genau prüfen, ob sie alle Vorschriften einhalten.

funkschau: Wie können Unternehmen dazu beitragen, dass Daten ihrer Nutzer nicht unerlaubt von Drittanbietern abgegriffen werden und damit – eventuell unwissentlich – gegen die DSGVO-Regeln verstoßen?

Iyengar: Die Unternehmen müssen alle Bereiche rund um den Schutz der Kundendaten gründlich prüfen und verstehen. Das bedeutet, dass sie sowohl den rechtlichen Aspekt als auch das, was sie für ethisch vertretbar halten, berücksichtigen müssen. Um Verstöße gegen die DSGVO zu vermeiden, müssen Unternehmen vollständig verstehen, ob ihre Kundendaten an Dritte weitergegeben werden und wenn ja, auf welche Weise. Sie müssen zudem wissen, ob ihre Kunden überhaupt damit einverstanden sind. Noch wichtiger ist, dass die Unternehmen gründlich prüfen, welche Arten von Daten erhoben und gespeichert werden müssen. Die Einwilligung ist eine Grauzone, denn es ist bekannt, dass die Geschäftsbedingungen oft nicht vollständig gelesen werden oder zu lang beziehungsweise zu komplex sind und damit vom Lesen abschrecken. Ist es also ethisch vertretbar, die Kunden auf diese Weise dazu zu bringen, einer schlechten Branchenpraxis zuzustimmen, wenn die Klauseln dafür irgendwo in den Tiefen der Geschäftsbedingungen versteckt sind? Transparenz mit leicht lesbaren und verständlichen Informationen ist etwas, dem die Branche unbedingt Vorrang einräumen sollte.

Die Unternehmen müssen sich zudem darüber im Klaren sein, wie Dritte die Daten zu nutzen gedenken. Entspricht dies den DSGVO-Richtlinien und ist es etwas, mit dem sie gerne in Verbindung gebracht werden möchten? Oder könnte dies ihren Kundenbeziehungen schaden und das Kundenerlebnis beeinträchtigen?

funkschau: Wie stellt Zoho selbst als Anbieter von Business-Software sicher, dass die Daten seiner Nutzer unangetastet bleiben?

Iyengar: Zoho ist Eigentümer des gesamten Daten-Stacks. Wir besitzen und betreiben unsere eigenen Rechenzentren sowie die Plattform, auf der wir unsere Anwendungen und Dienste aufbauen. Dies ist ein in der Branche einzigartiger Aspekt, der es uns nicht nur ermöglicht, tief integrierte Lösungen anzubieten, sondern auch die Kundendaten zu schützen, indem wir sie im Zoho-Ökosystem halten. Zoho hält sich zudem an Best Practices, um die Daten in Übereinstimmung mit internationalen Standards und Normen zu schützen. Unsere Sicherheits- und Forschungsteams arbeiten kontinuierlich an der Modernisierung unseres Technologie-Stacks. Die Kontrolle darüber hilft, den gesamten Prozess besser zu verstehen und so den besten Weg zum Schutz der Daten zu finden. Die Kunden können auch die Region wählen, in der ihre Daten gespeichert werden sollen, und wir halten uns strikt daran.

Der kundenorientierte Ansatz von Zoho sieht zudem vor, dass wir unsere Daten streng schützen. Wir ermöglichen keine Monetarisierung persönlicher Informationen und werden dies auch in Zukunft nicht tun. Wir verwenden Kundendaten, um die Produkte und das Erlebnis für unsere Kunden zu verbessern und das ist alles. Vor etwa zwei Jahren haben wir alle Tracker von Drittanbietern aus unseren Online-Angeboten entfernt, um sicherzustellen, dass wir unsere Kundendaten schützen. Diesen Ansatz werden wir auch weiterhin verfolgen.

funkschau: Bei Verstößen sieht die DSGVO teils hohe Strafen vor. Genügt das gesetzliche Regelwerk, um die Datenverwendung hinreichend zu kontrollieren? Welche weiteren Kriterien wären wünschenswert?

Iyengar: Es ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, um die Branche von Fehlverhalten abzuhalten. Die Unternehmen müssen jedoch erkennen, dass sie den Schutz der Kundendaten in einer ausgewogeneren Weise mit der Rentabilität des Unternehmens in Einklang bringen und ihre gesamte Strategie entsprechend anpassen müssen. Es ist eher eine inhärente Neuausrichtung, die unserer Meinung nach in der heutigen, zunehmend auf Wachstum um jeden Preis ausgerichteten Kultur erforderlich ist. Mehr und mehr Kunden sind dieser Praxis überdrüssig und stimmen mit den Füßen ab, wie es so schön heißt. Je mehr sie feststellen, dass Unternehmen ihre Daten auf eine Art und Weise missbrauchen, der sie nicht zugestimmt haben, als sie sich angemeldet haben, desto schneller wechseln sie zur Konkurrenz.

Unternehmen sollten generell die Erhebung von Daten ihrer Kunden auf ein Minimum beschränken und sich auf jene Informationen beschränken, die für die Bereitstellung eines optimalen Service erforderlich sind. Zustimmung bedeutet nicht Ausbeutung, in vielen Fällen werden die Daten heute aber quasi geplündert und weitergegeben. Das Gesetz gibt den Nutzern jedoch die Möglichkeit, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, über ihre Daten selbst zu bestimmen.

funkschau: Was raten Sie Entscheidern in KMU, die Cyber Security und Datenschutz nicht mit eigener Manpower stemmen können?

Iyengar: Diese Themen gehen in die Tiefe und erfordern Fachwissen. Dennoch gibt es bewährte Praktiken, die Unternehmen befolgen können, angefangen bei einer tieferen, langfristigen Betrachtung des Technologie-Stacks und der Modernisierung vorhandener Altsysteme und Verfahrensweisen. Die meisten KMUs verwenden Standardprodukte, um ihre täglichen Geschäftsabläufe zu verarbeiten und kritische Daten zu speichern. Daher ist es wichtig, dass sie die Sicherheitspraktiken des Anbieters, seine Investitionen in Forschung und Entwicklung und seine öffentliche Haltung zum Datenschutz gründlich bewerten.

Es ist ein überfüllter Markt – Firmen haben also freie Wahl –, aber nicht alles, was glänzt, muss auch das Beste sein. KMU müssen die verschiedenen Aspekte rund um das Thema berücksichtigen, um einen langfristigen Technologiepartner zu finden, der einen echten Mehrwert bietet, ohne ein finanzielles Loch in ihre Taschen zu reißen.

Der ökonomische Wert von Kundendaten

Viele Geschäftsmodelle im Internet basieren auf Verbraucherdaten. Aber wie werden diese von Unternehmen verarbeitet? Antworten darauf liefert die Studie „Verbraucherdaten als Gegenleistung – Der ökonomische Wert von Kundendaten“ der Uni Kassel im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz aus dem Jahr 2019. Demnach agieren Unternehmen als Sammler, Erheber, Aufbereiter und Konsumenten, wenn sie über 150 verschiedenen Typen von Verbraucherdaten verarbeiten. Unterschieden wird grundsätzlich zwischen demografischen, Finanz-, Gesundheits- und Kontaktdaten sowie Daten zur Lebenswelt. Die Verarbeitung von Verbraucherdaten hat neue Geschäftsmodelle hervorgebracht, die sich auf die Sammlung, Validierung, Aufbereitung und Vermietung von Verbraucherdaten spezialisieren. Dabei ist zu beachten, dass die Mehrzahl der genannten Datentypen aus rechtlichen Gründen in Deutschland nicht gehandelt werden darf. Dennoch können diese in unternehmensinternen Prozessen, wie der Produktentwicklung, eingesetzt werden. Daraus ergibt sich der eigentliche Mehrwert. Denn Verbraucherdaten an sich haben laut Studie keinen ökonomischen Wert für Unternehmen. Die Dienstleistungen rund um Daten und ihre Verarbeitung hingegen schon. Unternehmen nutzen die Daten beispielsweise zur Steigerung von Kundenzufriedenheit, für Entwicklung und Betrieb von Internetdiensten sowie für soziale und direkte ökonomische Wertschöpfung.  (DK)

 


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